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Entschleunigung auf der Platanenallee

Hausbooturlaub auf dem Canal du Midi

Hausbooturlaub mit Kindern

Die Idee, Urlaub auf einem Hausboot in Frankreich zu machen, haben wir schon länger. Irgendwie kam aber immer irgendwas anderes dazwischen. Erst waren unsere Kinder noch zu klein und wir stellten es uns stressig vor, sie unter permanenter Aufsicht in Schwimmwesten an Bord herumlaufen zu lassen, gepaart mit der Sorge, sie könnten über Bord gehen. Irgendwie stellten wir es uns auch anstrengend vor, dass einer das Boot steuern und der andere sich um die Kinder kümmern, kochen etc. muss.

Jetzt haben wir die perfekte Lösung und den perfekten Zeitraum gefunden: Die Kinder sind alt genug und können schwimmen. Wir haben zum ersten Mal eine Woche Pfingstferien. Mai ist eine super Reisezeit, da es schön warm, aber nicht zu heiß ist. Und wir fahren zusammen mit einer befreundeten Familie.

Los geht es am späten Freitagabend von Köln aus nach Brüssel, wo wir, verteilt auf drei Dreibettzimmer, in einem Budgethotel am Flughafen Charleroi eine kurze Nacht verbringen. Wir haben einen günstigen Flug von hier nach Toulouse gefunden, der so früh am Samstagmorgen geht, dass wir Sorge hatten, es morgens von Köln aus nicht rechtzeitig zu schaffen. Die Idee ist, von Toulouse mit dem Hausboot über den Canal du Midi bis nach Carcassonne und zurück zu fahren. Die Wettervorhersage für Toulouse und Carcassonne ist schlecht. Wir haben also größtenteils Wärme und regenfeste Klamotten eingepackt.

In Toulouse angekommen, werden wir von einem sehr netten Shuttlefahrer mit Abstecher zum Einkaufen bei Carrefour zum Nicols Bootsverleih nach Port Lauragais gebracht. Mit Sack und Pack beziehen wir unser Boot, die Issel der Reihe Estivale Octo (für 8 Personen, mit vier Kabinen und zwei Bädern) und fühlen uns direkt zuhause. Die Kinder finden schnell ihren jeweiligen Kajütenpartner und reihen ihre Harry Potter Bücher, Quartetts, Malblöcke und Comics schon mal in die Regale ein. Das Wetter ist deutlich besser als vorhergesagt. Es klart schon auf. Wir bekommen eine Einweisung fürs Bootfahren und unser Respekt wächst. Und unsere Erleichterung, dass wir alle Aufgaben auf vier Erwachsene aufteilen können.

Die erste Herausforderung: im recht vollen Hafen von Lauragais auszuparken und loszufahren. Captain Andi kriegt das souverän hin. Neben dem Boot beobachten wir Biber und Wasserschweine (laut Klassifikation der Kind). Wir suchen uns gemütliche Plätze auf dem Sonnendeck und genießen die Aussicht auf den still daliegenden Kanal. Das Bordbuch hat recht. Der Canal du Midi liegt da wie eine platanengesäumte Allee. Enten schwimmen gemächlich vorbei, unzählige Vögel zwitschern ihre Lieder, Frösche quaken. Während wir das Naturschauspiel genießen, spielen die Kinder die meiste Zeit drinnen am Tisch Spiele, hören Gregs Tagebuch Hörspiele und malen.

Hausbooturlaub mit Kindern
Unsere Issel
Hausbooturlaub mit Kindern
Souverän steuert Captain Andi unser Boot
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Während wir an Deck chillen
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Alle Kinder an Bord

Da das Boot ungefähr dieselbe Geschwindigkeit hat, kann man auch gut nebenher joggen. An der nächsten Schleuse muss ich allerdings immer anhalten um zu helfen. Hier hat jeder Erwachsene seinen festen Posten. Die Männer steuern abwechselnd, wir Frauen sind für das Anseilen zuständig. Der nicht steuernde Kollege springt von Bord und macht die Taue fest. Bei jeder Schleuse klappt das Crewzusammenspiel besser, und Schleusen gibt es auf unserer Route viele. Sogar Dreier- und Viererschleusen, vor denen wir zunächst großen Respekt haben, meistern wir ohne Zwischenfälle.

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Achtung, Schleuse in Sicht
Hausbooturlaub mit Kindern
In der Schleuse müssen alle Erwachsenen mithelfen
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Ein typisches Schleusenhäuschen

Da wir am ersten Tag ziemlich trödeln und eine lange Pause im hübschen Örtchen Castelnaudary einlegen, am Hafen Eis essen und die Kinder im Ort mit einigen französischen Kindern Fußball spielen, müssen wir am nächsten “Seetag“ etwas mehr Gas geben, um rechtzeitig am Zielort Carcassonne anzukommen und die mittelalterliche Stadt besichtigen zu können.

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Einfahrt in Castelnaudary
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Hübscher Hafen von Castelnaudary
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Castelnaudary hat uns wirklich gut gefallen
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Fußballspielen im Ortskern von Castelnaudary
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Mittagspause im Hafen von Castelnaudary

Die Schleusen schließen alle um 19.00, sodass wir uns ab dann jeweils einen Anlegeplatz suchen, lecker kochen, noch was spielen und sehr gemütlich und gut in unseren Kajüten schlafen.

Nachdem wir richtig Gas gegeben und viele Schleusen passiert haben, erreichen wir am Montagabend unser Ziel Carcassonne. In Carcassonne waren Andi und ich schon einmal 2003 von Barcelona aus und damals schon sehr beeindruckt. Heute erkennen wir einiges wieder und sind nicht minder begeistert. Die Kinder interessieren sich in erster Linie für die unzähligen Souvenir Shops und geben ihr gesamtes Taschengeld für Ritterfiguren aus, mit denen sie anschließend Schlachten um Carcassonne nachspielen. 

Hausbooturlaub mit Kindern
Angekommen in Carcassonne
Hausbooturlaub mit Kindern
Die Kindern entern die Festungsanlage

Die Kinder entdecken ein Schulmuseum, das sie unbedingt besichtigen wollen. Es ist tatsächlich ganz interessant. Man besichtigt eine über 100 Jahre alte Dorfschule, wo die Kinder in uralten Bänken sitzen und mit Tinte zeichnen dürfen. Es gibt auch in Formalin eingelegte Schlangen in Gläsern und eine Eselskappe, unter der sich die Schüler früher schämen mussten.

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Französische Dorfschule vor 100 Jahren
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Die Kinder schreiben ihren Klassen zuhause
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Schulkind Mato

Wir kehren in ein Café mit sehr hübschem Innenhof ein, essen Nutellacrêpes und trinken Kaffee, während die Kinder mit den neu erworbenen Rittern spielen. Wir erwandern die gesamte Stadt und die Außenbefestigungsanlage. Die Kinder machen super mit. Ein Highlight ist, dass die alte Festung zum 20-jährigen Weltkulturerbe- Geburtstag von einer schweizerisch-französischen Künstlerin wunderschön mit gelber Folie, die als Gesamtbild konzentrische Kreise ergibt, gestaltet wurde.

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Kunstwerk Carcassonne

Wir essen noch einige Kirschen, die wir morgens auf dem Markt in Carcassonne gekauft haben. Nachdem wir alles gesehen haben, haben die Kinder erstaunlicherweise immer noch Energie genug, um den neben der alten Befestigungsanlage liegenden Friedhof zu besichtigen.

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Friedhof in Carcassonne

Durch die Hauptstraße der Neustadt schlendern wir zu unserem Anlegeplatz zurück, wo wir frische Artischocken und grünen Spargel vom Markt kochen. Zum Glück haben wir noch ein Anlegeplätzchen an der Hafenpromenade gefunden. Es lässt sich nur erahnen, was hier im Hochsommer los ist. Auch jetzt liegen die Boote dicht an dicht, die Atmosphäre ist nett und familiär. Die Sorge, die übrigen Hausbooturlauber, in der großen Mehrheit ältere Paare, könnten sich an dem Lärm der vier Kinder stören, ist zum Glück unbegründet. Es stört sich auch niemand daran, dass wir unseren Tisch und die zugehörigen acht Stühle auf der Promenade aufbauen, um uns etwas freier bewegen zu können als an Bord. Die Kinder spielen abends noch ein bisschen Fußball und beobachten Tauben und Wasserratten. Nach einem lustigen Abend schlafen wir alle ein.

Hausbooturlaub mit Kindern
Unser Anlegeplatz in Carcassonne

Nach zwei Nächten in Carcassonne treten wir schon wieder die Rückreise an. Da offenbar einige andere Hausbooturlauber ähnliche Pläne haben wie wir, staut es sich an den ersten Schleusen ganz schön. Ständig müssen wir anlegen, ein Stück weiterfahren, wieder anlegen. Zum Glück sind wir einigermaßen zeitig aufgebrochen, denn hinter uns staut es sich noch mehr. In eine Schleuse passen jeweils drei Boote, und hier knubbeln wir uns mit sieben Booten. Auf einem längeren schleusenfreien Stück entzerrt sich das Ganze zum Glück wieder und wir kommen gut voran. An einem einsamen Plätzchen legen wir abends an, bauen unseren Essensplatz auf dem Weg neben dem Kanal auf, spielen Fußball, fischen den Fußball wieder aus dem Kanal, und lassen es uns gutgehen. Hausbooturlaub ist tatsächlich Entschleunigung pur.

Hausbooturlaub mit Kindern
Ruhe in freier Natur

Jeder Abschnitt des Canal du Midi zwischen Port Lauragais und Carcassonne ist schön. Durch Ortschaften kommen wir bis auf Castelnaudary nie. Zum Glück haben wir genügend Vorräte eingepackt. Auf dem Rückweg planen wir wieder einen Zwischenstopp in dem hübschen Hafen von Castelnaudary ein. Hier schlendern wir wieder zum Platz an der Kathedrale hoch, lassen die Kinder sich beim Fußballspielen austoben, und essen anschließend noch ein leckeres Eis aus der Bäckerei am Hafen. Nachdem wir noch ein paar Schleusen passiert haben (inzwischen sind wir wieder im Gebiet der Automatikschleusen, die man selbst bedienen muss, angelangt) und uns Port Lauragais ein bisschen mehr genähert haben, legen wir an einer hübschen Stelle an. Die Kinder spielen auf einer bunkerartigen Betonkonstruktion und kicken noch ein paar Bälle. Auf dem Anlegesteg genießen wir unser Abendessen, Spaghetti Bolognese. Danach laufe ich mit Milan und Benedict noch eine Runde den Kanal entlang und an einem Angler vorbei über einen Feldweg bis zu einem kleinen Bachlauf. Von der Brücke aus darüber aus entdeckt Milan eine gelb-schwarze Wasserschlange, die sich im Bach schlängelt. In dieser Nacht kann ich kaum schlafen. Wind ist aufgekommen und ich wache mehrmals von lauten Rumsen auf, die sich anhören, als wäre jemand auf unser Boot gesprungen und würde nun darauf herumschlurfen. Mehrmals zwinge ich mich aufzustehen und nachzusehen, ob alles okay ist. Ist es zum Glück auch, aber ich frage mich, ob man vielleicht doch so ganz einsame Anlegeplätze vermeiden sollte.

Hausbooturlaub mit Kindern
Weiterfahrt zurück nach Port Lauragais

Der nächste, unser letzter Tag auf dem Wasser beginnt wie per Wettervorhersage angekündigt. Bewölkt und windig, fast stürmisch, sodass wir in den Schleusen Schwierigkeiten haben, das Boot zu bändigen. Heute haben wir noch viel Zeit, da wir die Tage vorher schneller als gedacht vorangekommen sind und es nun nicht mehr weit haben zum Start- und Zielhafen Port Lauragais. Wir haben also genügend Zeit, bei der direkt am Kanal liegenden Poterie Not anzuhalten und die Töpferei, die es an dieser Stelle schon seit 1880 gibt, zu besichtigen. Hier kann man z.B. die Casseroles für die Spezialität der Region, Cassoulet, günstig kaufen. Für das Gericht schmort man dicke weiße Bohnen, Enten- und Schweinefleisch im Tontopf, bis das Fleisch sieben Krusten hat.

Hausbooturlaub mit Kindern
Ausflug zur Töpferei
Hausbooturlaub mit Kindern
Hier kann man für kleines Geld Töpfergut erstehen
Hausbooturlaub mit Kindern
Bei der Arbeit in der Poterie Not

Hier machen wir auch Mittagspause, passieren die letzte Schleuse und machen noch einmal fest, um den Scheidepunkt zwischen Mittelmeer und Atlantik, den mit 210 Metern über NN höchsten Punkte des Kanals, Narouze, anzuschauen. Es gibt ein altes Wasserbassin zu sehen und einen Obelisken, sowie eine alte Mühle. Man kann hier gut etwas herumschlendern, bevor wir unser letztes, kurzes Stück zum Zielhafen antreten.

Hausbooturlaub mit Kindern
Landgang in Narouze

In Port Lauragais angekommen heißt es schon fast Abschiednehmen. Wir versuchen, unsere Lebensmittel restlos aufzuessen. Die Jungs freuen sich vor allem über drei vom Markt in Carcassonne übriggebliebene Artischocken. Wir genießen die Abendsonne und die Kinder spielen auf der Wiese Fußball. So geht unser letzter Bootsabend entspannt zuende.

Am nächsten Morgen heißt es früh aufstehen, alles fertig zusammenpacken und Boot putzen. Während der Bootsübergabe schauen sich die Kinder das Canal du Midi Infozentrum, gleich neben dem Hafen, an. Hier erfährt man einiges über die ins 17.Jahrhundert zurückreichende Geschichte des Kanals und trifft einige alte Bekannte, die uns schon auf der Strecke immer wieder begegnet sind, wieder. Thomas Jefferson, der dritte amerikanische Präsident, der den Kanal, damals noch „Canal des deux mers“, Ende des 18. Jahrhunderts bereiste, und der Kanalkonstrukteur Riquet.

Unser Fahrer bringt uns wieder zurück nach Toulouse, wo wir noch eine Hotelübernachtung eingeplant haben, bevor am nächsten Tag unser Flug zurück nach Hause geht. Toulouse, durch die vielen hübschen alten, roten Backsteinfassaden auch „la cité rose“ genannt, ist wirklich hübsch und erinnert uns an einigen Stellen an Barcelona. Es gibt schöne kleine Einkaufsstraßen, große Plätze wie das Capitol und schattige Orte am Ufer des Flusses Garonne. Hier finden wir ein gemütliches Plätzchen mit Snackbar und Spielplatz gleich daneben. Die Jungs werfen gefundenes Treibholz zurück in die Hochwasser tragende Garonne, die mit schneller Strömung Richtung Atlantik fließt. Nach einem Eis auf dem Rückweg zum Hotel und dortigem Besuch der Pools gehen wir noch einmal thailändisch essen und verabschieden uns so langsam von unserem Pfingsturlaub. Morgen müssen wir früh raus und zurück nach Hause fliegen. Und das tun wir entspannt, entschleunigt und entgegen der Wettervorhersage sonnengebräunt.

Hausbooturlaub mit Kindern
Letzter Urlaubstag in Toulouse
Hausbooturlaub mit Kindern
Pont Neuf über die Garonne

Kommentare

Rebecca

Das sieht so schön, entspannt und harmonisch aus!
Kann ich mir sehr gut vorstellen!
Viele Grüße
Rebecca

Julia

Hallo , wir sind schon einmal mit dem Rad die Strecke gefahren und waren begeistert. Mit dem Boot muss es traumhaft sein. Sehr schönes Video!
Grüße von Julia

Franz

Super schön! Das Boot ist ja wohl vom Feinsten! Klasse!

Gruß Franz

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